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Gibt es eine COVID-19-Impfpflicht des Arbeitnehmers?

Gibt es eine COVID-19-Impfpflicht des Arbeitnehmers?

Jedenfalls ist sie ohne gesetzliche Regelung nicht denkbar

Eine gesetzliche allgemeine Pflicht zur Impfung gegen die COVID-19-Erkrankung gibt es derzeit nicht. Unmöglich, beachtet man die Impfstoffknappheit und Priorisierungsregelungen. Dennoch wird derzeit vermehrt diskutiert, ob Arbeitgeber die Impfung gegen die COVID-19-Erkrankung von ihren Arbeitnehmer*innen verlangen können. Dafür spräche der Schutz der Arbeitnehmer*innen und all derjenigen, mit denen sie im Rahmen ihrer Arbeitstätigkeit in Kontakt kommen.

Dagegen spricht jedoch schon der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, der nur auf Grund eines Gesetzes zulässig ist, vgl. Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG.

Trotz der hohen Infektionsgefahr und möglichen schweren Krankheitsverläufe können eine Impfpflicht oder die Duldung von Nachteilen bei Nichtinanspruchnahme der freiwilligen Impfung jedoch nicht etwa unter Verweis auf einen anderen Impfstoff wie den gegen Masern gefordert werden. Ungeachtet der Erstzulassung eines Masernimpfstoffs in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts[1] liegen die Zulassungsdaten für die heute gängigen Impfstoffe gegen Masern zwischen 1997 und 2019.[2] Im Falle der COVID-19-Impfstoffe ist das früheste Zulassungsdatum der 21. Dezember 2020.[3] Dieses gehört zu Corminaty, dem COVID-19-Impfstoff von BioNTech/Pfizer. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine normale, sondern eine Ausnahmezulassung. In der auch in deutscher Sprache verfügbaren Produktinformation[4] zu diesem Impfstoff sind folgende Informationen zu finden:

„In Anbetracht der erklärten internationalen gesundheitlichen Notlage und um eine frühzeitige Versorgung zu gewährleisten, gilt für dieses Arzneimittel eine zeitlich begrenzte Ausnahme, die es erlaubt, sich auf Chargenkontrolltests zu verlassen, die in dem(den) registrierten Standort(en) durchgeführt werden, die sich in einem Drittland befinden. Diese Ausnahme ist bis zum 31. August 2021 gültig. Die Umsetzung der EU-basierten Chargenkontrollvereinbarungen, einschließlich der erforderlichen Änderungen der Zulassungsbedingungen, muss bis spätestens 31. August 2021 abgeschlossen sein, in Übereinstimmung mit dem vereinbarten Plan für diese Übertragung der Tests. Fortschrittsberichte müssen bis zum 31. März 2021 eingereicht und in den jährlichen Verlängerungsantrag aufgenommen werden.“ (S. 18)

„Da dies eine Zulassung unter „Besonderen Bedingungen“ ist, und gemäß Artikel 14a(4) der Verordnung (EG) Nr. 726/2004, muss der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen innerhalb des festgelegten Zeitrahmens, folgende Maßnahmen abschließen:“ (S. 19)

(…)

Um die Wirksamkeit und Sicherheit von Comirnaty zu bestätigen, sollte der Zulassungsinhaber den endgültigen klinischen Studienbericht für die randomisierte, placebokontrollierte, beobachterblinde Studie C4591001 vorlegen.“ „Fällig am: Dezember 2023“ (S. 20)

Für die Impfstoffe von AstraZeneca und Moderna wird auf deren individuelle Fristenregelungen verwiesen. Die Dokumente sind ebenfalls auf der Website des Paul-Ehrlich-Instituts[5] abrufbar. Für alle drei Impfstoffe gilt eine anhaltende, zusätzliche Überwachung, um neue Erkenntnisse über die Sicherheit zu erlangen.

Darüber hinaus ist noch nicht geklärt, ob Geimpfte andere (nicht mehr) anstecken können.

Eine Interessenabwägung im Rahmen des Weisungsrechts des Arbeitgebers kann unter diesen ungeklärten Umständen nicht zulasten des Arbeitnehmenden ausfallen. Wie sollen Arbeitgeber, für die Gesundheitsdaten der Arbeitnehmer*innen grundsätzlich tabu sind, auch darüber entscheiden können, ob ein Impfstoff bei dem einzelnen Arbeitnehmenden verimpft werden kann, wirkt oder z.B. noch unerforschte Wechselwirkungen[6] zeigen kann.

Die Diskussion einer zivilrechtlich begründeten Impfpflicht von Arbeitnehmer*innen in Bezug auf einen Impfstoff, dessen Wirksamkeit und Sicherheit noch nicht wie gefordert bestätigt ist, wird daher für verfehlt gehalten. Erst recht werden Sanktionen für verfehlt gehalten. Vielmehr sollte sachgerecht informiert, aber die Entscheidung den Arbeitnehmer*innen nach fachkundiger individueller Beratung selbst überlassen werden.

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[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Masernimpfstoff#:~:text=Die%20Erstzulassung%20des%20Masernimpfstoffs%20erfolgte,Lebendimpfstoff%20(Impfstamm%20Edmonston%20B).

[2] Paul-Ehrlich-Institut, Masern-Impfstoffe, https://www.pei.de/DE/arzneimittel/impfstoffe/masern/masern-node.html.

[3] Paul-Ehrlich-Institut, COVID-19-Impfstoffe, https://www.pei.de/DE/arzneimittel/impfstoffe/covid-19/covid-19-node.html.

[4] Direktlink: https://www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/comirnaty-epar-product-information_de.pdf.

[5] Paul-Ehrlich-Institut, COVID-19-Impfstoffe, https://www.pei.de/DE/arzneimittel/impfstoffe/covid-19/covid-19-node.html.

[6] Seite 4, https://www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/comirnaty-epar-product-information_de.pdf.