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Gemeinsame Stellungnahme

zum Referentenentwurf zur Einführung von elektronischen Wertpapieren

Gemeinsame Stellungnahme zum Referentenentwurf zur Einführung von elektronischen Wertpapieren

Der registerführende Emittent

oder: DeFisch stinkt stets vom Kopfe her

Gemeinsam mit Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht Mirjam Hannah Steinfeld, u.a. Certified Fraud Examiner (CFE), habe ich heute im Rahmen der Anhörung der Verbände und interessierten Kreise durch das Bundesministerium der Finanzen sowie das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz eine (weitere) Stellungnahme zum Referentenentwurf über elektronische Wertpapiere und Kryptowertpapiere eingereicht.

Hintergrund

Ende August 2020 tauchte das sog. SushiSwap-Projekt, auf der bekannten Blockchain-Plattform Ethereum, auf. Es umfasste allerdings kein essbares, aber ein für viele Menschen finanziell sehr schmackhaftes Angebot: das sinngemäße Geldverdienen im Schlaf. Binnen weniger Tage wurden mehrere Millionen US-Dollar „elektronisch gebunden”. Die SushiSwap-Community kritisierte, dass fast 50 Prozent der Anteile an SushiSwap in einer Hand lagen; nämlich in der Hand des Schöpfers, des unbekannten „Chef Nomi“. Am 5. September 2020 tauschte „Chef Nomi“ sämtliche seiner SUSHI-Token gegen Ether (ETH) ein – im Wert von 10 Millionen US-Dollar. Der Preis des SUSHI-Token halbierte sich und sinkt seitdem weiter ab. Binnen zwei Wochen verloren also Involvierte ihr Vermögen in nicht unwesentlichem Umfang.

Was ist das Problem?

Der Referentenentwurf geht davon aus, dass durch die Dezentralität des Kryptowertpapierregisters ein Machtmissbrauch ausgeschlossen ist. Tatsächlich sagt das Merkmal der Dezentralität nichts über die tatsächlichen Machtverhältnisse im Einzelfall aus. Diese können auf der „untersten“ (Register-)Ebene wie Ethereum andere sein als auf einer der höheren, individuell ausgestaltbaren (Unterregister-)Ebenen. Dort kann die absolute Mehrheit, wie im Fall „Sushi“, in der Hand einer einzigen Person liegen. „Chef Nomis“ (Entscheidungs-)Macht lag nicht nur in einer sondern auch auf der Hand: Er hat SushiSwap programmiert. Er hat SushiSwap zu seinem eigenen Vorteil programmiert. Wer wie er versteht, mehrere Register miteinander zu verknüpfen, um hieraus persönlichen Vorteil zu ziehen, sollte nicht nur eine Nebenbemerkung im Gesetz bleiben.

Wie kann die (gesetzgeberische) Lösung aussehen?

Derartige Macht- und Wissenskonzentrationen, bereits Realität im Bereich Decentralized Finance (DeFi), gilt es zu verhindern. Dies kann beispielsweise geschehen durch

  • die Normierung des registerführenden Emittenten mit eigenen Pflichten,
  • entsprechende Strukturvorgaben (z.B. Vermeidung von Interessenkonflikten, Trennungsprinzip),
  • die Prüfung von Code, der einen automatisierten oder durch Automatisierung unterstützten Missbrauch ermöglichen könnte und seine Offenlegung in für jedermann verständlicher Sprache,
  • Schaffung von gesonderten Haftungstatbeständen im Zusammenhang mit der missbräuchlichen Ausnutzung einer automatisierten, algorithmenbasierten Führung eines Kryptowertpapierregisters.

Unsere gemeinsame Stellungnahme samt Vorschlägen kann hier abgerufen werden:

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Autorinnen und Ansprechpartnerinnen:

Claudia Otto ist Rechtsanwältin und Gründerin der Kanzlei COT Legal in Frankfurt am Main. 

Mirjam Hannah Steinfeld (Mag. iur., CFE) ist Rechtsanwältin, Fachanwältin für Strafrecht und Lehrbeauftragte für Strafrecht an der Hochschule RheinMain. Sie führt die auf das Wirtschaftsstrafrecht spezialisierte Kanzlei Steinfeld Recht in Frankfurt am Main. Sie ist zudem Herausgeberbeirätin der interdisziplinären Fachpublikation Recht innovativ (Ri).