Am 8. September 2020 servierte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ein Mittagsmenü, das nicht gerade leicht verdaulich war:
In ihrer per Newsletter zur Kenntnis gebrachten Mitteilung erklärt die BaFin, zunächst noch relativ wenig überraschend, dass das Aufstellen von Automaten, an denen sog. Kryptowährungen (ausdrücklich Bitcoin, DASH, Litecoin, Ether) veräußert oder erworben werden können, einer Erlaubnis der BaFin bedürfe. Das öffentliche Aufstellen von Kryptoautomaten sei entweder als sog. Eigenhandel nach § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 lit. c Kreditwesengesetz (KWG) oder als sog. Finanzkommissionsgeschäft nach § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 KWG einzustufen. Sowohl der Eigenhandel, bei dem es sich um eine Finanzdienstleistung handelt, als auch das Finanzkommissionsgeschäft, welches ein Bankgeschäft darstellt, bedürfen der vorherigen Erlaubnis der BaFin nach § 32 Abs. 1 KWG. Die BaFin weist des weiteren darauf hin, dass die Aufsteller von Kryptoautomaten, die keine Erlaubnis der BaFin vorhalten, unerlaubt handeln und sich sogar nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG strafbar machen könnten. Sie setze in diesem Fall ihre Maßnahmen „erforderlichenfalls auch unabhängig von den Strafverfolgungsbehörden im Wege des Verwaltungszwangs durch. Versiegelungen von Geschäftsräumen und Automaten kommen im Rahmen einer Sicherstellungsverfügung nach § 44c Abs. 4 KWG auch nach Erlass einer Untersagung im Betracht.“
Den wirklich interessanten Teil der Mitteilung vom 8. September 2020 findet sich jedoch im letzten Absatz: Danach seien „Personen oder Unternehmen, die solchen Aufstellern der Kryptoautomaten die Räumlichkeiten bzw. Strom- oder Internetanschüsse zur Verfügung stellen, (…) in deren unerlaubte Geschäfte einbezogen und damit selbst mögliche Adressaten verwaltungsrechtlicher Maßnahmen. Vermieter sollten sich in diesen Fällen immer hinsichtlich der BaFin-Lizenz vergewissern, eine bloße Gewerbeanmeldung ist nicht ausreichend.“
Von welchen Maßnahmen spricht die BaFin hier? Handeln Vermieter, Strom- und Internetanbieter ebenfalls unerlaubt und gar in strafrechtlich relevanter Weise? Nein, insofern kann wohl beruhigt werden.
Die BaFin spricht hier zunächst von den in § 44c KWG benannten Befugnissen. Nach § 44c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KWG haben ein Unternehmen, die Mitglieder seiner Organe, seine Beschäftigten sowie andere Unternehmen, die in die Abwicklung seiner Geschäfte einbezogen sind oder einbezogen waren, der Bundesanstalt sowie der Deutschen Bundesbank auf Verlangen Auskünfte über alle Geschäftsangelegenheiten zu erteilen und Unterlagen vorzulegen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen oder feststeht, dass das Unternehmen Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen ohne die nach diesem Gesetz erforderliche Erlaubnis oder ohne die nach Art. 14 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 erforderliche Zulassung betreibt oder erbringt. Darüber hinaus haben die BaFin und Bundesbank nach § 44c Abs. 2 KWG umfassende Prüf- und Zutrittsrechte zu den Räumen der nach Absatz 1 Satz 1 auskunfts- und vorlegungspflichtigen Personen. Die Bediensteten der BaFin und der Deutschen Bundesbank dürfen nach § 44c Abs. 3 KWG die Räume der nach Absatz 1 Satz 1 auskunfts- und vorlegungspflichtigen Personen und Unternehmen durchsuchen. Im Rahmen der Prüfung und Durchsuchung dürfen die Bediensteten auch Beweismittel gemäß § 44c Abs. 4 KWG sicherstellen. Durchsuchungen von Geschäftsräumen und Personen sind nach § 44c Abs. 3 S. 4 KWG, außer bei Gefahr im Verzug, durch den Richter anzuordnen. Die Betroffenen haben die genannten Maßnahmen nach § 44c Abs. 5 KWG zu dulden. Sie können die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung sie selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde.
Sehr wahrscheinlich ja. Denn § 44c KWG dient der BaFin oder Bundesbank nicht zur Beaufsichtigung oder gar „Bestrafung“ abseits ihres Zuständigkeitsbereichs, sondern der Sachverhaltsaufklärung (vgl. § 44c Abs. 4 KWG). Zu der können die Benannten beitragen: So kann zum Beispiel der Vermieter über die räumlichen Gegebenheiten der Mietsache und die Art und Weise der Nutzung durch seinen Mieter aufklären. Der Stromversorger kann beispielsweise einen auffälligen Mehrverbrauch feststellen, der sonst (z.B. für ein Bekleidungsgeschäft) eher unüblich ist. Der Internetprovider kann nicht zuletzt einen auffällig angestiegenen Datenverkehr bestätigen. Wenn die BaFin also von „Personen oder Unternehmen, die solchen Aufstellern der Kryptoautomaten die Räumlichkeiten bzw. Strom- oder Internetanschüsse zur Verfügung stellen,“ spricht, wird sie kaum dauerhafte, physische Einrichtungen in Bezug nehmen wie etwa die Steckdose oder die Internetanschlussvorrichtung. Denn sie können nichts zur Sachverhaltsaufklärung im Einzelfall beitragen; sie sind immer da. An ihnen kann eine bestimmte (rechtswidrige) Nutzung nicht abgelesen werden. Ein Vermieter wird nicht zuletzt kaum sagen können, welche Geräte der Mieter wann, wie und wie lange mit diesen Vorrichtungen verbindet. Das Gesamtbild ergibt sich für die BaFin und Bundesbank aus den Beiträgen sämtlicher Interaktions- und Vertragspartner, welche die Aufstellung eines Kryptoautomaten ermöglichen.
Dementsprechend arbeitete das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 7. März 2008 zum Aktenzeichen 1 L 198/08 heraus, welchen Sinn und Zweck die Vorschrift des § 44c KWG hat:
„Diese soll es der Antragsgegnerin [BaFin] ermöglichen, überhaupt erst den Sachverhalt zu ermitteln.“
In diesem Fall ergab sich der Verdacht des Vorliegens von Bankgeschäften oder Finanzdienstleistungen aus Kontobewegungen. Denn die BaFin ruft auch Konten bei Banken ab, „um Geldströme in Deutschland zur Ermittlung unerlaubter oder verbotener Geschäfte wirksam nachzuverfolgen.“[1] Weil Kryptowährungen jedoch im Regelfall nicht unter Nutzung von Bankkonten, sondern jenseits der klassischen Kreditinstitute über das Internet übertragen werden, liegt es auf der Hand, den Internetprovider zur Sachverhaltsklärung heranzuziehen. Wird ein „Kryptogeldautomat“ aufgestellt, ist zudem naheliegend, dass sich der „Verkehr“ auch räumlich und im Stromverbrauch zeigt.
Nun könnte man einwenden, dass Vermieter, Stromversorger und Internetprovider doch regelmäßig nicht willentlich und auch nicht wissentlich in die Abwicklung der Geschäfte einbezogen sind oder einbezogen werden. Dies ist jedoch unschädlich, wie § 44c Abs. 6 KWG zeigt. Nach dessen Satz 1 bestehen die Rechte der BaFin und der Bundesbank sowie die Mitwirkungs- und Duldungspflichten der Betroffenen auch hinsichtlich derjenigen Unternehmen und Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in die Anbahnung, den Abschluss oder die Abwicklung unerlaubter Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen einbezogen sind. Die Annahme, i.e. der Verdacht, muss nur hinreichend begründet werden können.
Stellt die BaFin im Rahmen ihrer Sachverhaltsermittlung unerlaubte oder verbotene Bankgeschäfte bzw. Finanzdienstleistungen fest, schreitet sie ein. Wie genau wird in § 37 KWG geregelt. § 37 KWG umfasst die Untersagung, die Abwicklungsanordnung, die besonderen Anordnungen im Rahmen der Abwicklung eines unerlaubten Geschäftsbetriebs und die Einsetzung eines Abwicklers sowie mögliche flankierende Maßnahmen gegen einbezogene Unternehmen und Personen. Ein Vermieter, ein Strom- oder Internetanbieter können kaum Adressaten einer Untersagungs- und Abwicklungsanordnung nach § 37 Abs. 1 S. 1 KWG sein, weil sie selbst keine der genannten Geschäfte betreiben. Bei der Abwicklung des unerlaubten Geschäfts können sie allerdings erfasst sein: Der Vermieter beispielsweise durch den Verlust des Mieters, der Stromversorger und Internetprovider durch den Verlust eines Kunden.
„Vermieter sollten sich in diesen Fällen immer hinsichtlich der BaFin-Lizenz vergewissern, eine bloße Gewerbeanmeldung ist nicht ausreichend“, teilt die BaFin am 8. September 2020 mit. Es stellt sich dabei jedoch die praktische Frage: Welcher Vermieter vermietet ausschließlich Stellplätze für Kryptoautomaten? Wahrscheinlich keiner, insbesondere nach dieser Mitteilung. Denkbar ist jedoch, dass Gewerbeflächen partiell und womöglich ohne Kenntnis des Vermieters für die Aufstellung von Kryptoautomaten genutzt werden. Schließlich sind Kryptoautomaten nicht zwingend von der gewohnten Größe und Gestalt eines Geldautomaten, wie es ihn schon vor etwa 30 Jahren gab. Ein Bitcoin-Automat konnte schon vor vier Jahren die Größe eines Tischkühlschranks haben, wie z.B. ein Artikel im ORF aus dem Jahr 2016 zeigt.[2]
Die Sachverhaltsaufklärung, ob unerlaubte oder verbotene Bankgeschäfte bzw. Finanzdienstleistungen angeboten werden, wird durch den Vermieter allein also höchstwahrscheinlich nicht gelingen.
Vermieter, Stromversorger, Internetprovider und sonstige Vertragspartner, die den Betrieb eines Kryptoautomaten durch ihren jeweiligen Beitrag tatsächlich ermöglichen und damit aufklären können, sind also grundsätzlich als sog. „einbezogene Personen und Unternehmen“ in Betracht zu ziehen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dieses Ermöglichen mit Wissen und Wollen geschieht: Wie vorstehend erläutert, geht es um die Mitwirkung an oder Duldung der Sachverhaltsaufklärung, ob unerlaubte oder verbotene Bankgeschäfte bzw. Finanzdienstleistungen angeboten werden. Und die kann vor allem in Anbetracht zu duldender Prüfungen und Durchsuchungen sehr einschneidend sein, bisweilen sehr unangenehm.
Grundsätzlich nein. Das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG, dessen Schutzbereich sich auch auf juristische Personen des Privatrechts erstreckt, soweit deren Büro- und Geschäftsräume betroffen sind, wird durch § 44c Abs. 2 S. 3 und Abs. 3 S. 3 KWG eingeschränkt. § 49 KWG sieht demgemäß die sofortige Vollziehbarkeit vor; ein etwaiger Widerspruch gegen das behördliche Auskunfts- und Vorlageersuchen hat keine aufschiebende Wirkung. Allerdings besteht die Möglichkeit vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO durch Erstreiten einer gerichtlichen Anordnung der aufschiebenden Wirkung.
Nein, § 44c Abs. 5 S. 1 KWG normiert eine Duldungspflicht. Betroffene können jedoch unter Umständen die Auskunft gemäß §§ 44c Abs. 5, 44 Abs. 6 KWG verweigern.
Ja. Indem man vor Vertragsschluss eine entsprechende Due Diligence durchführt, indem man seine Verträge vorausschauend in den Rechten und Pflichten der Parteien gestaltet und indem man während des Bestehen des Vertragsverhältnisses eine rechtlich zulässige und angemessene Aufmerksamkeit an den Tag legt.
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Können wir Sie unterstützen?
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Ich, Claudia Otto, unterstütze Sie gerne v.a. in vertraglichen und finanzrechtlichen Angelegenheiten.
Meine Kollegin Mirjam Steinfeld, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht in der Kanzlei Steinfeld Recht, unterstützt Sie gerne in Sachen Compliance und steht Ihnen vor allem zur Klärung des Vorliegens eines Auskunftsverweigerungsrechts zur Verfügung.
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Nehmen Sie gerne Kontakt zu Ihrer Ansprechpartnerin auf.
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[1] https://www.bafin.de/DE/Aufsicht/Uebergreifend/UnerlaubteGeschaefte/unerlaubtegeschaefte_node.html.
[2] https://salzburg.orf.at/v2/news/stories/2803815/.
Fortschritt mit Recht gestalten.